Dienstag, 31. Juli 2007

Neues zur Gruppenpsychologie von Großfamilien, Stämmen und Völkern

In einem Beitrag für das amerikanische "Mitte-Links"-Journal "The New Republic" erörtert der Bestseller-Autor, "Sprach-" und Soziobiologe Steven Pinker das gewachsene Interesse der US-Amerikaner für Genealogie und genetische Herkunfts-Forschung. (TNR, via Steve Sailer) Er kommt dabei vor allem auch auf Verwandten-Heiraten, auf Cousin-Cousinen-Heiraten zu sprechen, die heute noch sehr stark das politische Leben in vielen islamischen Ländern bestimmen, und die die genetische Geschichte wohl fast aller großer Völker in früheren Jahrhunderten sehr ausgeprägt bestimmt haben. Das ist sowohl aus sozialgeschichtlichen Tatsachen zu schlußfolgern wie aus der puren Logik der Genealogie heraus (siehe unten). Zu diesen Völkern zählt ja auch das aschkenasisch-jüdische Volk, das nach derzeitigem Forschungsstand zur Hälfte von nur wenigen Frauen abstammt, die vor etwa tausend Jahren am Rhein gelebt haben. Solche Abstammungsverhältnisse müssen ja schon von vornherein während der Ethnogenese selbst (also vor tausend Jahren) viele Verwandtenheiraten mit sich gebracht haben. Aber wie auch schon an früheren Stellen dieses Blogs erörtert, könnte der hohe Intelligenz-Quotient der aschkenasischen Juden überhaupt auch oder vor allem aufgrund Jahrhunderte langer - religiös nicht nur tolerierter, sondern sogar geförderter - Verwandtenheiraten zustande gekommen sein.

Um so stärker also Stämme, Völker und Rassen - wie das aschkenasisch-jüdische Volk - in früheren Jahrhunderten oder Jahrtausenden Bevölkerungsengpässe oder -abspaltungsvorgänge durchgemacht haben (populationsgenetische Flaschenhals-Ereignise, Gründerpopulationen) - und diese sind wahrscheinlich für alle Stämme, Völker und Rassen der heutigen Menschheit zumindest irgendwann anzunehmen - um so stärker müssen auch in bestimmten geschichtlichen Phasen Verwandten-Heiraten die genetischen Eigenschaften späterer großer Völker bestimmt haben.

Aus all diesen Gründen heraus können auch die neuen Erörterungen von Steven Pinker von keineswegs geringer Bedeutung eingeschätzt werden für künftige historische, humangenetische und anthropologische Forschungen.

"Wer seine genetische Herkunft kennt, kennt seinen Wert"

Pinker schreibt einleitend:
... Watson and Crick could not have foreseen a day when an analysis of Oprah Winfrey's DNA would tell her that she was descended from the Kpelle people of the Liberian rainforest. "I feel empowered by this," she said upon hearing the news, overcoming her disappointment that her ancestors were not Zulu warriors. (...) The rewards of genealogy are mostly psychological. As Winfrey put it, "Knowing your family history is knowing your worth."
Und zu solchen Haltungen gibt Pinker dann einige Erläuterungen aus biologischer, genetischer Sicht:
... The first is the simple fact that blood relatives are likely to share genes. To the extent that minds are shaped by genomes, relatives are likely to be of like minds. Close relatives, whether raised together or apart, have been found to be correlated in intelligence, personality, tastes, and vices. The discovery of an ancestor is thus felt to reflect on the descendant, who may feel he has an explanation for the kind of person he is, and who can claim to have a dose of the ancestor's praiseworthy traits. (...)

The similarities among blood relatives mean that they are likely to share values, and shared values can lead to easy solidarity because of what ecologists call mutualism and economists call positive externalities. A pair of associates with the same interests can benefit each other just by being selfish--always the most painless route to altruism. (...) To identify a blood relative, then, is to identify a potential soul mate. Adoptees who track down their biological parents and siblings often report an instant solidarity as they quickly discover shared quirks and passions.

A more direct tug of shared genes on family emotions comes from the phenomenon that biologists call inclusive fitness, kin selection, and nepotistic altruism. The overlap of genes among relatives does more than make them similar; it alters the dynamics of natural selection. Over evolutionary time, any gene that predisposed a person to be nice to a relative would have had some chance of helping out a copy of itself inside that relative, and the gene would have been favored by natural selection and entrenched in the genome (as long as the average benefit to the relative, discounted by the probability that the gene is shared, exceeds the average cost to the favor-doer). A sharing of genes at the genetic level sets the evolutionary stage for feelings of solidarity and affection at the emotional level, and that in turn shapes much of human life. In traditional societies, genetic relatives are more likely to live together, work together, protect each other, and adopt each other's orphaned children, and are less likely to attack, feud with, and kill each other. Even in modern societies, which tend to weaken ties of kinship, studies have shown that the more closely two people are genetically related, the more inclined they are to come to each other's aid, especially in life-or-death situations.
Genetische Verwandte haben ähnliche angeborene Psychologie und damit ähnliche Einstellungen und Werte: Blutsverwandte = Seelenverwandte

Pinker führt dann weiter aus, daß die typischen genealogischen Forschungen - Stichwort: "Ahnenschwund" - sehr schnell zu der überraschenden Erkenntnis führen, die wir oben schon angeführt hatten, nämlich daß Verwandtenheiraten verschiedener Grade in früheren Epochen nicht nur nicht selten, sondern wahrscheinlich sogar die Regel dargestellt haben. Pinker führt aus, einfache genealogische Überlegungen zeigen schnell,
that medium-distant-cousin marriages must have been the rule rather than the exception over most of human history. This chronic incest, by the way, did not turn our ancestors into the cast of Deliverance. The degree of relatedness, and hence the risk that a harmful recessive gene will meet a copy of itself in a child, falls off a cliff as you move from siblings to first cousins to more distant cousins.
Nun, dennoch gibt es in einigen Volksgruppen - wieder: z.B. bei den aschkenasischen Juden oder den Amisch-People oder den Hutterern - besondere Häufungen von Erbkrankheiten, die eben doch auch auf genetisch schädliche Verwandtenheiraten zurückzuführen sind. Im Grunde wird gesagt werden können, daß jedes Volk, jede Abstammungsgruppe das ihm eigene und spezifische Muster von Häufigkeiten von Erbkrankheiten aufweist, oftmals auch Erbkrankheiten, die irgendeinen Selektionsvorteil heute immer noch mit sich bringen oder in früheren Jahrhunderten mit sich gebracht haben müssen (z.B. die Mukoviszidose bei den nordeuropäischen Völkern, wobei sich die Forschung auf den Selektionsvorteil noch nicht hat einigen können). (Und einige Forscher vermuten ja den Selektionsvorteil bestimmter spezifisch aschkansisch-jüdischer Erbkrankheiten in einer damit parallel gehenden IQ-Evolution.)

Aber insgesamt ist Pinker sicherlich zuzustimmen. Das gleiche genealogische Denken führt schnell zu der inzwischen wohl auch schon trivialen Erkenntnis, daß die genetische Herkunftsforschung allein aufgrund von nur mütterlich oder nur väterlich weitergegebener DNA (mitochondriale oder Y-chromosomale) zu großen Verzerrungen im Herkunftsbild führen kann. Pinker:
Winfrey's mitochondrial DNA does not show that she is a Kpelle, but rather that she is one-sixty-fourth (or perhaps even 1/128th or 1/256th) Kpelle.
Dann aber diskutiert Pinker notwendigerweise nicht nur die genetischen Mechanismen, die zu Verwandten- und Gruppen-Zusammenhalt führen, sondern auch die kulturellen. Hier ist ganz wichtig die allgemeine soziale Prägung durch das gemeinsame Aufwachsen in der Familie, sowie die muttersprachliche und sonstige kulturelle Prägung in derselben.

"Die erweiterte Familie, der Klan oder der Stamm können als mächtiger, kohäsiver Block auftreten"

Dann kommt er auf die Verwandtenheirat zurück:
The extended family, clan, or tribe can emerge as a powerfully cohesive bloc--and one with little common cause with other families, clans, or tribes in the larger polity that comprises them. The anthropologist Nancy Thornhill has shown that the prohibitions against incestuous marriages in most societies are not public-health measures aimed at reducing birth defects but the society's way of fighting back against extended families.
- Das ist eine ganz erstaunliche und bestimmt nicht unwichtige Erkenntnis von Nancy Thornhill, die man sicherlich im Auge behalten muß. Umgekehrt könnte das nämlich auch heißen: In Verwandtenheirat kann ja auch - je nach dem - eine Stärke liegen. (Ich zum Beispiel habe gleich mehrere Cousinen, die mir selbst immer schon attraktiv vorkamen ... Woran das wohl liegt? ...)

Interessanterweise erwähnt Steven Pinker zum Schluß seinen Diskussionspartner schon von früheren Jahren her, den Journalisten Steve Sailer, der für den "American Conservative" von Patrick Buchanan schreibt, und der schon seit Jahren wissenschaftlich informierten Journalismus betreibt und auch gut durchdachte Vorstellungen zu Völkern als "erweiterten Familien" ("extended families"), also als "Abstammungsgemeinschaften" vertritt. Aus diesen Vorstellungen heraus konnte er 2003 gute Voraussagen dahingehend machen, was passieren würde, wenn man ein Land wie den Irak besetzen würde, in dem Klan-Bewußtsein immer noch eine viel größere Rolle spielt als beispielsweise - - - "Verfassungs-Patriotismus". (Eigentlich hätten auf den Trichter auch die Gegner Patrick Buchanan's in der amerikanischen Regierung damals kommen können ...)

Ergänzung (7.8.): Steve Sailer hat einen Beitrag zu Pinker's Beitrag verfaßt: (Vdare.com)

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