Mittwoch, 31. Oktober 2007

Freiheit - Tugend - Gott

Friedrich Schiller
Das "Glaubensbekenntnis" von "Studium generale".
Die Worte des Glaubens

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltsschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde,
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Missbrauch rasender Toren.
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke,
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte behaltet euch, inhaltsschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Inneres gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
So lang' er noch an die drei Worte glaubt.

Friedrich Schiller


(Es gibt auch eine schöne Portraitzeichnung Schillers von Helmut Berger.)

Dienstag, 30. Oktober 2007

Die Entstehung der Bandkeramik - Vortrag in Hannover

Am Donnerstag nächster Woche kann man im Landesmuseum Hannover einen sehr schönen Vortrag hören von Seiten des vor- und frühgeschichtlichen Archäologen Professor Jens Lüning (Frankfurt/M.), dem emeritierten bedeutendsten deutschen Spezialisten für die erste europäische Bauernkultur, nämlich die Bandkeramik (Urgeschichte.de, Newsletter):
Do., 08.11.2007, 19:30 Uhr

Religion in der Ur- und Frühgeschichte II

Wurde Mitteleuropa vor 7000 Jahren missioniert?

PD Dr. Jens Lüning, Frankfurt

Vor 7500 Jahren, also um 5500 v. Chr., drang auch nach Mitteleuropa die "Neolithische Revolution" vor, d. h., es vollzog sich im großen Raum zwischen Ungarn und dem Rhein der Übergang vom Jäger- und Sammlertum zur bäuerlichen Lebensweise, also zu Ackerbau, Viehzucht, Vorratswirtschaft und Sesshaftigkeit in festen Häusern. Dieses Bauerntum war schon 3000 Jahre früher am oberen Euphrat, d. h. im Grenzbereich zwischen Syrien und der Osttürkei, entstanden und hatte sich von dort langsam durch die Türkei, Griechenland und den Balkan bis nach Mitteleuropa vorgeschoben; hier trat es im Kleide der "Bandkeramischen Kultur" in Erscheinung.

Für alle Stationen dieses langen Ausbreitungsweges diskutiert die Forschung seit fast 100 Jahren die Ursachen und Mechanismen. Die Meinungen schwanken zwischen zwei Extremen: (1) massive Einwanderung einer fremden Menschenwoge ("Migration") aus dem Südosten oder (2) "Akkulturation" der einheimischen Jäger und Sammler, die sich mehr oder weniger freiwillig den kulturellen Einflüssen aus den jeweils schon "neolithisierten" Nachbargebieten öffneten und sich "dem Neolithikum anschlossen". Neuere Forschungen zeigen, dass zumindest für die Bandkeramik eher dieses letztere Modell zutreffen dürfte. Aber was war das Faszinosum an der Bandkeramik, das die Jägerbevölkerung so sehr anzog?

Vortrag zum Seminar des LV/NLMH/FUF/VHS "Leben, Tod und Kosmos - Religion und Kult unserer Vorfahren (11.10.07 - 13.12.07).
Wie schon hier auf dem Blog ausgeführt, entstand die Bandkeramik am Plattensee oder in der Nähe desselben. - "Faszinosum?" Ich denke mal, die dort ansässige Jäger- (oder Fischer-?)Bevölkerung war zunächst nicht besonderes "fasziniert" von diesen aus dem Süden vordringenden Dorfkulturen. Es dürften mancherlei Jahrzehnte ins Land gegangen sein, vielleicht hat man sich gegenseitig geheiratet, gleichzeitig versuchte Gruppen der Ansässigen lokale Traditionen zu bewahren oder zu etablieren und dadurch entstand dann aus einer "Mischkultur" eine völlig neue Kultur, nämlich die Bandkeramik, sozusagen ein ungeheuer erfolgreiches kulturelles Modell. Es werden aber viele selektive Prozesse bei ihrer Entstehung einer Rolle gespielt haben. Also: Faszination sicherlich auch. Aber "Streß" jeder Art, (insbesondere auch psychosozialer) werden ebenfalls zu unterstellen sein bei der Ethnogenese dieses Volkes.

Im Landesmuseum Hannover scheint man den Finger am Puls der Zeit zu haben, denn der nächste Vortrag ist ebenso spannend:
Do., 13.12.2007, 19:30 Uhr, Kuppelsaal des Landesmuseums

Religion in der Ur- und Frühgeschichte III

Gott, Gene und Gehirne - Die Evolution der Religiosität

Rüdiger Vaas, Leinfelden-Echterdingen

Hirnforscher, Evolutionspsychologen und Soziobiologen haben begonnen, nach Selektionsvorteilen, das heißt der Entstehung, dem Nutzen und "Sinn" der menschlichen Religiosität und Spiritualität zu suchen - und sind bereits zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Ist Religion ein Mittel der Bewältigung von Zufall und Sinnlosigkeit sowie ein Instrument der Verhaltensformung oder Partnerwahl? Stärkt Religion Kooperation und Altruismus? Warum haben religiöse Menschen mehr Kinder?

Dieser Vortrag gibt eine Einführung in die biologischen und psychologischen Grundlagen der Religion und erörtert auch das schwierige Verhältnis von Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie sowie die Frage nach der Wahrheit ihrer Aussagen.

Die "Eindimonsionalität" der Muttersprache ERLEICHTERT offenbar das Wahrnehmen von Welt

Das prägungsähnliche Lernen der Muttersprache beim Menschen ist ein sehr geheimnisvolles Phänomen. Während Eckart Voland in seinem neuesten Buch gerade erst ausgeführt hatte, daß eine derartige Prägung oftmals eine Einschränkung in den zuvor noch umfangreicher vorhandenen Möglichkeiten der Weltwahrnehmung bedeutet (siehe Beitrag vor einigen Tagen), macht eine neue Studie (New Scientist) darauf aufmerksam, daß zweisprachig aufgezogene Kinder erst drei Monate nach einsprachig aufgezogenen Kindern die Unterscheidung von bestimmten Lauten lernen, nämlich erst im 20., nicht schon im 17. Lebensmonat.

Daraus würde zu schlußfolgern sein: "Eindimensionales" Erwerben von Muttersprache erleichtert offenbar das Wahrnehmen von Welt, während "mehrdimensionales" (gleichzeitiges) Lernen das Wahrnehmen von Welt "verkompliziert". - Ist das richtig interpretiert? Dient Muttersprache dazu, das Wahrnehmen der Umwelt zu erleichern? Wer könnte schon von sich behaupten, er habe wirklich verstanden, was das eigentlich ist: prägungsähnliches Lernen. Und "wozu" es eigentlich - ultimat und/oder proximat - entstanden ist!

China - das unsterbliche Reich und Volk

Ein "Augenzeugen"-Bericht von Eva Rosenstock über die gegenwärtige chinesische Archäologie (Abenteuer-Archaeologie.de) macht sich einerseits Gedanken über die - europäische? - Abkunft der frühen chinesischen Ackerbau-Kulturen im Neolithikum und berichtet außerdem über "die mit riesigen Kaisergrabhügeln nur so gespickte Ebene von Xi'an", der Zentralprovinz des chinessischen Reiches (über lange Jahrtausende hinweg). Besonders auch die Schlußsätze sind bemerkenswert:
"Was für eine immense Tradition! Man stelle sich vor, ein Habsburger Kaiser wie Karl V. hätte sich noch ebenso wie in der Latènezeit bestatten lassen..."
Aber vor allem wird berichtet von einem ...
"... Taxi-Ausflug zu den archäologischen Stätten um Xi'an. Zunächst zog es mich natürlich zum neolithischen Fundplatz Banpo.

Besiedelt in der Zeit der Yangshao-Kultur (5. und 4. Jt. v. Chr.), deren mit geometrischen Mustern bemalte Keramik mich schon im Museum von Lanzhou am Gelben Fluss an die Cucuteni-Kultur der nordpontischen Steppen hat denken lassen (wie und woher kam das Neolithikum eigentlich genau nach China?), bestand das Dorf aus Pfostenhäusern mit dickem Lehmverputz, ganz ähnlich wie man es auch vom Balkan her kennt. Der fruchtbare Lößboden, der noch heute den Huang He gelb färbt, ließ schon im Neolithikum Hirse und Weizen gut gedeihen. Noch heute isst man in Nordchina mehr Weizenfladen - übrigens die Standardbeilage zur Pekingente - als Reis."
Zu dem Thema der mesolithischen und frühneolitischen Kontakte zwischen Europa und Ostasien erfährt man derzeit in der Wissenschafts-Berichterstattung immer noch recht selten etwas. Die Thematik wird aber zur Zeit eifrig erforscht (siehe z.B. Stud. gen. 1, 2, 3).
________
(Beitrag überarbeitet und gekürzt am 3.6.2008)

Waren Neandertaler "Weiße"?

In den Wissenschafts-Meldungen geisterte immer etwas herum von "Roten Haaren und Neandertaler", was mich auf den ersten Blick kalt ließ: Was interessieren einen schon die paar Prozent Rothaarige, die es heute bei Menschen gibt - oder früher bei Neandertalern gegeben haben könnte? Aber genaueres Lesen (Spekt. d. Wiss.) macht klar, daß es nicht nur um rote Haare geht, sondern auch um helle Haut, die ja nun auch bei modernen Menschen weiter verbreitet ist also rote Haare:
(...) "Genvarianten mit einer ähnlich verringerten Aktivität sind auch beim modernen Menschen bekannt - allerdings auf Grund anderer Mutationen", erläutert Michael Hofreiter. "Diese führen beim Menschen zu roter Haarfarbe. Wir können deshalb annehmen, dass auch ein Teil der Neandertaler möglicherweise rote oder hellere Haare und eventuell auch hellere Haut hatten."
Das ist alles hochgradig spannend, weshalb man gleich auch mal Razib Khan konsultieren sollte (Gene Expression 1, 2), der es - natürlich! - ebenso spannend findet. Ja, und er führt auch aus, daß dieses Forschungsergebnis impliziert, daß zur Evolution von hellerer Haut beim Menschen nun also offensichtlich nicht - wie bis dato vielfach angenommen - Ackerbau und Rinderzucht notwendig sind.

- Der gleiche Gedanke erhärtet sich mir übrigens immer mehr auch beim IQ, um hier gleich weiter zu schlußfolgern. Der höhere europäische IQ wird schon vor Einführung des Ackerbaus vorhanden gewesen sein und tatsächlich in der Eiszeit evoluiert sein ebenso wie die hellere Haut. Allerdings mußten - offenbar - die Grundlagen für diese IQ-Evolution in Afrika gelegt werden, denn sonst hätte ja auch der Neandertaler von sich aus einen höheren IQ evoluieren können und hätte nicht aussterben brauchen.

Aber so war es ja auch nach der Eiszeit: Komplexe Gesellschaften entstanden zuerst in der heutigen Südost-Türkei und - weltgeschichtlich gesehen - relativ spät auch in Nordeuropa. Aber Nord- und Mitteleuropa haben dann - als Spätzünder - alle anderen (zumindest bis heute) übertroffen (zusammen mit ihren nordamerikanischen und australischen Kolonien).

Aber wie sieht es mit dem ostasiatischen IQ aus, der höher ist als der IQ der amerikanischen Ureinwohner, mit denen die Ostasiaten am nächsten verwandt sind? Da der Großteil der amerikanischen Ureinwohner vor Beginn des Ackerbaus in Asien nach Amerika abwanderte, wird in Ostasien der dort heute vorherrschende IQ doch erst
nach Einführung des Ackerbaus evoluiert sein, also anders als in Europa. Das ist meine Vermutung, Hypothese, die natürlich noch auf schwachen Beinen steht. Dafür spricht, das der ausgesprochen markante antrhopologische ostasiatische Typus sich erst sehr spät im archäologischen Material findet - ganz im Gegensatz zum europäischen Typus, der schon um 40.000 vor heute sich nicht so deutlich vom heutigen europäischen Typus unterscheidet wie der heutige ostasiatische vom heutigen der amerikanischen Ureinwohner.

Ich vermute, daß es despotische Gesellschaftsformen in China waren, die die IQ-Evolution vorangetrieben haben könnten ebenso wie im vorkeramischen Neolithikum B (PPNB) (um 7.500 v. Ztr.) etwa zeitgleich im Levanteraum. In letzterem aber sind diese Gesellschaften wieder ausgestorben (zumindest die IQ-Oberschichten), während in Ostasien größere gesellschaftliche Stabilität aufrecht erhalten werden konnte über die Jahrtausende. So meine Vermutung. Aber Vorsicht: Alles nur Hypothese! Mehr so meine "Gestaltwahrnehmung", wie amerikanische Forscher sagen würden ... (In Anlehnung an ein "Erkenntnisorgan", das Konrad Lorenz zum ersten mal so benannte - also eines, das über IQ hinausgeht übrigens ...)


Halten wir also fest: Neandertaler und Nordeuropäer haben - vielleicht, wahrscheinlich! - unabhängig voneinander und auf unterschiedliche Weise helle Haut evoluiert aufgrund "lokaler Humanevolution" in Anpassung - wahrscheinlich - an das Klima. Wow! Klasse!

Daß es italienische und spanische Neandertaler waren, deren Genom für diese Studie ausgewertet wurde, macht die Sache noch einmal mehr bemerkenswert. Aber in der Eiszeit war es ja auch dort kälter ...

James Watson: Richard Dawkins, Edward O. Wilson und PZ Myers auf seiner Seite

In einem Artikel des Guardian finden sich einige Stellungnahmen von bekannten Wissenschaftlern zu James Watson. Die wichtigste ist die von Richard Dawkins, der ja schon in seinem vorletzten Buch "Ancestor's Tale" (im Kapitel "A Grasshopper's Tale") zur Frage der unterschiedlichen Genetik von Menschen-Gruppen Stellung genommen hatte:
'What is ethically wrong is the hounding, by what can only be described as an illiberal and intolerant "thought police", of one of the most distinguished scientists of our time, out of the Science Museum, and maybe out of the laboratory that he has devoted much of his life to, building up a world-class reputation,' said Richard Dawkins, who been due to conduct a public interview with Watson this week in Oxford.
Übersetzt:
"Was ethisch falsch ist, ist das Hinaus-Hetzen aus dem Science Museum und vielleicht aus dem Institut, dem er einen großen Teil seines Lebens gewidmet hat, um dessen Weltklasse-Reputation aufzubauen, ein Hetzen, das nur als illiberale und intolerante 'Gedanken-Polizei' bezeichnet werden kann gegenüber einem der ausgezeichnetsten Wissenschaftler unserer Zeit."
Die zweitwichtigste Stellungnahme für mich ist die von Edward O. Wilson, wie Dawkins einer der Gründerväter der Soziobiologie:
'We have become firm friends. Today we are the two grand old men of biology in America and get on really well. I certainly don't see him as a Caligula figure any more. I have come to see him as a very intelligent, straight, honest individual. Of course, he would never get a job as a diplomat in the State Department. He is just too outspoken. But one thing I am absolutely sure of is that he is not a racist. I am shocked at what has happened to him.'
Übersetzt:
"Ich bin absolut sicher, daß er kein Rassist ist. Ich bin schockiert über das, was ihm geschehen ist."
Außerdem wird der Oxforder Neurologe Colin Blakemore zitiert:
'Defining intelligence is complex and there are many forms of intelligence, not all of which are captured by IQ tests. In any case, it would be as unethical to organise society around some numerical indicator of difference as it would to do so on the basis of skin colour.'
Wenn man genau hinhört, bestreitet Blakemore keineswegs, daß jene Intelligenz, die mit IQ-Tests gemessen wird, vererbt wird und deshalb auch in unterschiedlichen Gruppen in unterschiedlicher Häufigkeit vererbt werden kann. Ganz richtig sagt er nur, daß diese Intelligenz nicht die einzige vererbbare Eigenschaft des Menschen ist, die ihn zum Menschen macht. In jedem Fall aber erachtet er es als unethisch, eine Gesellschaft allein um den IQ-Wert von Menschen herum zu organisieren. Alles Aussagen, denen man zustimmen kann. Auch Watson, Dawkins und Wilson werden denselben sofort zustimmen. Und weiterhin sagt Blakemore:
'Jim Watson is well known for being provocative and politically incorrect. But it would be a sad world if such a distinguished scientist was silenced because of his more unpalatable views.'
Übersetzt:
"Jim Watson ist bekannt für seine provokative und politische Unkorrektheit. Aber es wäre eine traurige Welt, wenn solch einem ausgezeichneten Wissenschaftler der Mund verboten würde, nur weil er ein paar unschmackhafte Gedanken äußert."
Also auch er steht auf der Seite von James Watson und macht die Hetze nicht mit.

Craig Venter allerdings wird mit den Worten zitiert:
'There is no basis in scientific fact or in the human gene code for the notion that skin colour will be predictive of intelligence.'
Ich halte diese Aussage für wissenschaftlich nicht absolut korrekt. Richard Dawkins ist in seinem Buch korrekter. Er sagt - der Sache nach -, daß die Kenntnis der Hautfarbe die Wahrscheinlichkeit eines richtigen Urteils über die Intelligenz eines Menschen erhöhen könnte.

Man kann diesen Blogeintrag auch ansehen als Antwort auf eine Frage von Steve Sailer ( auf seinem Blog: 1, 2), welcher bekannte Wissenschaftler sich öffentlich auf die Seite eines der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Zeit stellen würde in dieser Sache: Richard Dawkins, Edward O. Wilson und Colin Blakemore haben dies getan. Mehr kann man nicht verlagen. Wenn die Journalisten diesen Leuten nicht zuhören, ist das ihre Sache - aber nicht mehr die Sache dieser Wissenschaftler.

Der Artikel benennt auch den Menschen, der offenbar verantwortlich ist für die öffentliche Hetze gegen James Watson:
(...) Thus it was left to Simon Kelner, editor of the Independent, to take Watson's claims and to run them as its lead story on Wednesday, under the banner: 'Africans are less intelligent that Westerners, says DNA pioneer'. In this way, Watson's fate was sealed.
Wie kann es sein, daß ein Journalist über das Schicksal eines der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Zeit bestimmen kann?

Zusatz: Auch PZ Myers verteidigt das Recht von James Watson, derartiges zu äußern, ohne deshalb entlassen zu werden.

Eine geheime, etwas bizzare Zwillingsstudie aus dem Jahr 1968

In New York wurde 1968 und 1969 eine geheime Studie in der Zwillingsforschung begonnen, die 1980 beendet wurde und deren Ergebnisse bislang nie veröffentlicht worden waren, weil sich die öffentliche Meinung - so sagen die Forscher heute - gegenüber ihrem "Versuchsansatz" bis dahin geändert hatte (NPR) (Wiki). Man hatte nämlich fünf Zwillingspaare und einmal Drillinge (also insgesamt 13 Kinder) nach der Geburt getrennt und von verschiedenen Adoptiveltern aufziehen lassen. Die "Louise Wise agency", bzw. "Louise Wise Services", eine Adoptions-Agentur, führte (wenn man es recht versteht), diese Studie durch. Die Eltern waren darüber informiert worden, daß sie an einer Kinder-Entwicklungs-Studie teilnehmen würden. Alles etwas bizarr.

Abb.: Erschienen 2007
Und 1980 wurde die Studie beendet, weil man merkte, daß die öffentliche Meinung sich dagegen aussprach, Zwillingskinder bewußt getrennt adoptieren und aufwachsen zu lassen. Noch dazu "um der Wissenschaft willen". Auch mir scheint diese Studie sehr bizarr zu sein und ich kann kaum glauben, daß sie der öffentlichen Meinung im Jahr 1968 nicht auch schon bizarr erschienen wäre, wenn man die Öffentlichkeit darüber informiert hätte. Die Unterlagen waren an die Universität Yale übergeben worden mit der Auflage, daß davon nicht vor dem Jahr 2066 veröffentlicht werden dürfe.

Eines der Zwillingspaare, deren Namen heute lauten Paula Bernstein und Elyse Schein, haben aber ihre Herkunft unabhängig davon recherchiert, sich 2004 das erste mal getroffen und nun über diese ganze Geschichte ein Buch veröffentlicht. Die Psychiater und Kinderpsychologen Peter Neubauer, Viola Bernard und Lawrence Perlman, die die Studie durchgeführt hatten, geben derzeit in unterschiedlicher Weise Auskünfte über ihre damalige Arbeit.

Die Durchführung der Studie war im übrigen gar nicht nötig, da es unzählige getrennt aufgewachsene Zwillinge gibt, die man nicht bewußt und um der Wissenschaft willen getrennt hatte. Diese Zwillinge waren von der berühmten Minnesota-Studie ausgewertet worden, deren Ergebnisse den Blick auf die menschliche Verhaltens-Genetik wesentlich veränderte (Wiki).

Gehirn-Gene evoluierten bis zum modernen Menschen stark - und stoppten dann quietschend?

Eine neue Studie (Science) hat ergeben, daß es auf dem evolutionären Weg "vom Schimpansen" zum anatomisch modernen Menschen (doch) mehr Gen-Veränderungen gegeben hat, als bislang angenommen worden war. "Science" berichtet darüber unter dem Titel "Ein evolutionärer Sprint machte uns zu Menschen" ("Evolutionary Sprint Made Us Human"):
(...) "You can think of the genome as a revolving door--genes keep coming and going," says Hahn, who published the findings online 18 October in the journal Genetics. He argues that the turnover provides fuel for natural selection to act upon; gene families that rapidly expanded also showed the signatures of adaptive changes in their DNA. And one gene family that stood out in particular was a group of brain genes, which more than doubled in size in humans.
Also, um es auf deutsch zu wiederholen: Der schnelle Austausch von Genen auf dem evolutionären Weg zwischen Schimpansen und Menschen - wörtlich: "wie eine Drehtür" - gibt der natürlichen Zuchtwahl Stoff, um damit zu arbeiten.

Man könnte übrigens auch umgekehrt (und wahrscheinlich richtiger) argumentieren: Die immer schnelleren kulturellen Veränderungen beim Weg zum Menschen (durch prägungsähnliches und durch Belohungs-verstärktes Lernen [Versuch und Irrtum]) führten dazu, daß sich häufiger der Ablese-Zustand der Gene veränderte - auch in den Keimzellen (also epigenetische Veränderungen). Ein veränderter Ablese-Zustand sollte das neue Auftreten von Mutationen erleichtern. Denn solange sich der Ablese-Zustand eines Gens nicht ändert, ist kann sich eine Mutation leicht schädlich auswirken. Allerdings dürften schlichte Gen-Duplikationen, mit denen die Evolution sehr häufig gearbeitet hat (siehe der berühmte Buchtitel Susumo Ohno: "Evolution by Gene Duplication"), von vornherein gar nicht schädlich sein, da ja das Ursprungsgen in seiner Funktion dabei voll erhalten bleibt.

Aber zu all dem paßt dann auch der letzte zitierte Satz, der aussagte: Besonders eine Genfamilie veränderte sich sehr stark, nämlich eine Gruppe von Gehirn-Genen, deren Umfang sich bei anatomisch modernen Menschen gegenüber den Schimpansen mehr als verdoppelte. - So! Und warum sollte diese Evolution gerade ausgerechnet vor 200.000 quietschend zum Stehen gekommen sein, während wir schon längst wissen, daß so gut wie alle anderen Gen-Gruppen auch noch danach munter weiterevoluierten? (Wie gesagt: "Drehtür"!)

Das möge einem doch einmal einer der vielen Kritiker von James Watson erklären ... Von den eigentlichen Fachleuten, den Humangenetikern, hat man bei der öffentlichen Kritik an James Watson sowieso wenig gehört ...

Montag, 29. Oktober 2007

Gruppenselektion der Hauptfaktor der Humanevolution?

Die Watson-Angelegenheit hat doch noch viele weitergehende Diskussionen ausgelöst, hat viele Menschen auf einen "begrabenen Hund" aufmerksam gemacht, wie es scheint. Ich will nur kurz auf jene Diskussionen verweisen, die ich mitbeobachte, bzw. an denen ich mich mitbeteiligt habe in den letzten Tagen.

Zunächst hat es hier auf diesem Blog (Studium generale) unter diesem Eintrag inzwischen 19 Kommentare gegeben. In ähnlicher Weise habe ich mich auch an der Diskussion auf diesem Blog beteiligt. Und auch den Blog von Steve Sailer mitzulesen, ist unglaublich spannend. Im jüngsten Beitrag berichtet er darüber, wie Steve Rose, der forderte, Watson solle seine "hate speech" verboten werden, schon in den 1980er Jahren darum besorgt war, daß in der DDR (!!!) ein IQ-Genetiker arbeitete und veröffentlichte. Er schrieb an DDR-Wissenschaftler und bat diese darum, dem IQ-Genetiker Volkmar Weiß "das Handwerk zu legen". Die Stasi ließ sich das nicht zweimal sagen. Zum Glück arbeitet die heutige Stasi nicht mehr ganz so "unbekümmert" ...

Nun noch als Antwort zum letzten Diskussionsbeitrag von Bert- am besten liest man aber auch meine letzten Diskussionsbeiträge hier, um den Gesamtzusammenhang meiner Argumentation zu verstehen. Im Gespräch entwickeln sich die Gedanken oft viel intensiver und schneller:

Das mit den epigenetischen Prozessen will sehr beachtet sein, das ist sehr richtig. Wie ich in meiner letzten Voland-Rezension ausführte, nimmt Voland an, daß ein beträchtlicher Teil grundlegender psychischer Verhaltens- und Wahrnehmungsstrukturen durch prägungsähnliches Lernen erworben wird. Normalerweise trägt auch eine solche Art von Lernen zur Stablisierung von Zusammenhängen zwischen Genen und Kultur (bzw. auch zwischen Genen, [Kultur] und natürlicher Umwelt = Heimat) bei.

Wenn ich muttersprachlich auf eine bestimmte Kultur geprägt bin, wenn meine Heimatliebe, meine Geschlechterpsychologie auf bestimmte Weisen geprägt sind, werde ich weniger geneigt sein, mich auf andere Umwelten, Kulturen, "Geschlechterpsychologien" einzulassen als ohne eine solche Prägung.

Und das hinwiederum führt zu höheren Endogamie-Raten, letztlich zu Inzucht und zu Gruppen-Selektion, lokaler Humanevolution.

Es scheint (zumindest mir - und natürlich zahlreichen anderen), als sei tatsächlich die Humanevolution nicht im wesentlichen durch Individual-Selektion vorangetrieben worden, sondern durch Gruppen-Selektion, die durch eben genannte Vorgänge stabilisiert (bzw. vorgebahnt) worden ist.

Natürlich ist prägungsähnliches Lernen nicht vollkommen determinierend - bzw. im jeweiligen Gebiet in jeweils unterschiedlichem Ausmaß. Ich kann außer meiner Muttersprache, meiner Heimat, meiner Geschlechterpsychologie noch andere Sprachen, Landschaften, Geschlechterpsychologien "liebgewinnen". Und Menschen und Völker bspw. mit viel ADHS- (/Neugier-)Genen werden bereit sein, sich trotz starker Kindheits- und Jugendprägungen dennoch auf neue Umwelten, Kulturen einzulassen.

So kommt dann Dynamik hinein in Geschichte und Evolution. Denn durch das Aufeinandertreffen unterschiedlich angepaßter Kulturen und genetischer Strukturen siehe meine Beiträge hier) können (müssen nicht) kulturelle und genetische Wandlungs-Prozesse einsetzen.

Solches Aufeinandertreffen bewirkt - das ist eben nun einmal Gruppen-Selektion - auch das Aussterben von Gruppen. Davon könnte gegenwärtig die westlich-abendländische Kultur betroffen sein, nachdem schon die antik-griechische und -römische, die antik-punische und -phönizische und so viele andere Kulturen (Goten, Wandalen etc. pp., Perser, Sogder, Tocharer, Skythen, Ägypter ...) davon betroffen gewesen sind. Die Mainzer Anthropologin Ilse Schwidetzky, die bis 1945 in Breslau arbeitete, hat nicht ganz zufällig im Jahr 1954, also nach dem Zweiten Weltkrieg eine wissenschaftliche Studie herausgebracht über "Das Problem des Völkertodes", in dem sie eine Fülle von ausgestorbenen Völkern untersucht und die Gründe für ihren Untergang. Ein ähnliches Thema, das später Joseph A. Tainter (Collaps of Complex Societies) und Jared Diamond (Kollaps) wieder aufgegriffen haben: Leichen auf dem Weg der Gruppen-Selektion. Es ist die Frage, ob wir auch eine solche werden wollen.

Samstag, 27. Oktober 2007

Die Wirtschaft "freut" sich ...

Die Journalistin Andrea Seibel hat ihrem Herzen Luft gemacht über die derzeitige "Krippenpolitik" der Bundesregierung. (Welt, über: Vfa-ev.de) (Hervorhebungen durch mich, I.B.)
(...) Krippe: ein schönes Wort, man denkt an Joseph und Maria und den kleinen Jesus, an die Urfamilie der Christen. Doch es geht um staatliche Kinderbetreuung. Das große Unbehagen der Konservativen an der geplanten Verdreifachung der Unterbringung von Kindern unter drei Jahren wird bleiben, auch wenn der gesetzgeberische Impuls mit Vehemenz aus den Reihen der Union kommt. In erster Linie geht es denn auch um die Garantie der Berufstätigkeit der (Mittelschichts-)Frau, worüber sich besonders die Wirtschaft freut. Den Sozialdemokraten und Linken ist die Gleichheit wichtig: Frau ist Mann. Vom Kind ist unverhohlen wenig die Rede, wie auch nicht von der Qualität der "Horte" - noch so ein schönes Wort.

(...) Als seien die Gegner der Krippen Hinterwäldler und Reaktionäre, die die Signale der Moderne einfach nicht hören wollten. Obwohl jeder im Innern weiß, dass Kleinkinder zur Mutter gehören. Nun öffnet sich auch der Konservatismus, der modernen Arbeitswelt zuliebe. Ein Experiment beginnt. Es wird sich zeigen, wie viele Familien tatsächlich von diesen Einrichtungen Gebrauch machen und ob nun mehr Kinder geboren werden. Ein Schelm, wer hoffte, dass all dies zu Neubesinnungen führen wird? Zu intelligenteren Lebensrhythmen und Planungen? Wer weiß. Vorerst ist der Beruf der Hausfrau auf der Strecke geblieben.

Langsam erst erkennen wir, und dies schreibt eine berufstätige Frau, wie sehr die Berufstätigkeit der Frau die Lebenswelten verändert hat und noch verändern wird.
Mir klingt dieser Kommentar zu resigniert, viel zu resigniert. Wenn das die Reaktionen sind, die die "engagierte" Familienpolitik unserer allseits beliebten "Ministerin" hervorruft - Resignation statt lebhaftes Diskutieren über neue Lebens- und Gesellschaftsmodelle -, dann wird man sie so engagiert wohl doch nicht nennen könnne. Wenn es jeder im Innern weiß, das Kleinkinder zur Mutter gehören, dann soll er auch entsprechend energisch fordern, daß sich die Politik und Gesellschaft danach richtet und nicht ein Gesellschafts- und Lebensmodell auf Kosten der Kinder und der Zukunft favorisiert, das gilt doch auch für Sie, Frau Andrea Seibel!

Was ist das übrigens für eine "Wirtschaft", die sich über eine so kurzfristig denkende Politik auch noch "freut"? Sollte denn nicht wenigstens dort endlich einmal Vernunft einkehren?

Freitag, 26. Oktober 2007

"Nigeria, my dear country, I am so ashamed ..." - Eine Stimme aus Afrika, eine gequälte

Eine Philippika - für James Watson? - von einem Nigerianer?

Viele der besten Pressemeldungen auch jetzt zur James Watson-Frage findet man immer wieder auf dem Blog des amerikanischen Journalisten Steve Sailer, auf den auch Steven Pinker mitunter gerne verweist. Nun hat er einen Verweis eingestellt auf den Text eines Nigerianers zur James Watson-Sache. Und dieser ist - fern aller Wissenschaftlichkeit - ein sehr bewegender Text:

James Watson, so der Autor Idang Alibi, ...
"... said what to me looks like a self-evident truth. He told The Sunday Times of London in an interview that in his humble opinion, black people are less intelligent than the White people.

Why are we blacks becoming so reactive, so sensitive to any remarks, no matter how well-meaning, about our failure as a race? Why are we becoming like the Jews who see every accusation as a manifestation of anti-Semitism? I do not know what constitutes intelligence. I leave that to our so-called scholars. But I do know that in terms of organising society for the benefit of the people living in it, we blacks have not shown any intelligence in that direction at all. I am so ashamed of this and sometimes feel that I ought to have belonged to another race.

Nigeria my dear country is a prime example of the inferiority of the black race when compared to other races. Let somebody please tell me whether it is a manifestation of intelligence if a people cannot organise a free, fair and credible election to choose who will lead them. Is it intelligence that we cannot provide simple pipe-borne water for the people? Our public school system has virtually collapsed. Is that a sign of intelligence? Our roads are impassable. ..."
etc. etc. etc.
"... Anywhere in the world today where you have a concentration of black people among other races, the poorest, the least educated, the least achieving, and the most violent group among those races will be the blacks. When indices of underdevelopment are given, black people and countries are sure to occupy the bottom of the ladder. If we are intelligent, why do we not carry first when statistics of development are given?

Look at the African continent. South Africa is the most developed country because of the presence of whites there. This may be an uncomfortable truth for many of us but it exists nevertheless. If the whites had been driven away after independence, we would have seen a steady decline of that country. (...)

Instead of regarding bitter truths expressed by the likes of Watson as a wake-up call for us to engage in sober reflection, we take to the expression of woolly sentiment. For me, this type of reaction is a further evidence of our unintelligence. A man of intelligence recognises genuine criticism against him and takes steps to improve himself in order to prove his critics wrong. But for us blacks, our reaction is to abuse the man who expresses worries about our backwardness.

Other races are deeply worried about us because we are a problem to the world. ..."
Das ist wahrhaftig eine Philippika, die sich gewaschen hat, und die, so möchte man meinen, aus einem gequälten Herzen kommt. Spricht jemand in Europa oder den USA so klagend über sein eigenes Land, über seine eigene Rasse? Und doch sind wir Europäer und Nordamerikaner für viel mehr Unglück und Unrecht in der Welt und ihr Klima verantwortlich als die Afrikaner.
"... Out of a shared sense of humanity, some cannot bear to see how we die in thousands almost every day from clearly preventable diseases and causes. For years now, our people die extremely painful but perfectly preventable deaths from buildings which collapse because they were poorly constructed. How can you tell me we are as intelligent as others when we set traps for ourselves in the name of houses and others do not do so? (...)

As I write this, I do so with great pains in my heart because I know that God has given intelligence in equal measure to all his children irrespective of the colour of their skin. The problem with us black people is that we have refused to use our intelligence to organise ourselves socially and politically. (...)

God himself must be frustrated with his black children. They must be an embarrassment to him. He has given us everything he has given to other of his children; why are his black children not manifesting their own gift?"
Und hier spricht er ebenfalls eine große Wahrheit für Europäer aus:
"I may not know how intelligence is measured but my limited knowledge of intelligence is that it can also be measured by the kind of leaders a people decide to have. ..."
In einem solchen "Intelligenz-Test" würden auch die Deutschen nicht besonders gut abschneiden. Hier seine abschließenden Sätze, sie könnten ganz ebenso an Bewohner der Nordhalbkugel gerichtet sein, vielleicht noch viel mehr an diese als an Afrikaner:
"I am ready for some of our 'patriotic' intellectuals who will write and abuse me for the 'outrage' I have expressed here but I stick to my guns: we lack intelligence and as stated in the Bible, anyone who lacks intelligence should cry unto God who is the custodian of wisdom to bestow some upon him. We should go on our knees today and ask God why we do not appear as intelligent as our other brothers. I am confident God will reveal to us what we must do, and urgently too, to change our terribly unflattering circumstances."
Übersetzt: "... Uns fehlt die Intelligenz und es steht in der Bibel, jeder, dem Intelligenz fehlt, soll zu Gott schreien, der der Hüter der Weisheit ist, damit er ihm welche verleiht. Wir sollten heute auf unsere Knie fallen und Gott fragen, warum es so aussieht, als wären wir nicht so intellgent wie unsere anderen Brüder. Ich habe Vertrauen darin, daß Gott sich uns offenbaren wird, was wir tun müssen, dringend tun müssen, um unsere schrecklichen, nicht zu beschönigenden Lebensumstände zu verbessern."

Eine personale Gottheit vielleicht nicht - aber ungekünstelte Demut macht ganz bestimmt weise. Jeden Menschen. Auch manchen Besserwisser, der glaubt, ausgerechnet durch "Gleichheits-Ideologien" dem Wohl der Menschheit besonders zu dienen.

Eckart Voland - Nachdenken über Altruismus und Gruppenmoral

Auf das Buch von Eckart Voland "Die Natur des Menschen - Grundkurs Soziobiologie", wurde man erneut hingewiesen durch Michael Blume's begeisterten Hinweis. - Und das ist tatsächlich ein ganz hervorragendes Buch, das leicht unterschätzt werden kann. Denn es sind nicht nur "alte Gedanken neu aufgewärmt" (wie man hätte erwarten können), sondern auch neue Gedanken eingestreut. Nicht nur an sich neue, sondern auch gegenüber den ursprünglichen FAZ-Essay's (aus denen dieses Buch hervorgegangen ist) neue Gedanken. (s. FAZ - jetzt leider kostenpflichtig)

Die "evolutionär in Zwischengruppenkonflikten geformten Psyche" des Menschen

So ist das Kapitel "Das Doppelgesicht der Moral" gegenüber dem ursprünglichen FAZ-Essay deutlich umgeschrieben und erweitert worden. Ich finde die mir sehr treffend und gelungen erschienene Phrase von der "evolutionär in Zwischengruppenkonflikten geformten Psyche" des Menschen im Buch-Essay nicht mehr. Diese Phrase hatte deutlicher als alle anderen Ausführungen gemacht, daß es auch "Gruppenselektion" gewesen sein könnte, die menschlichen Altruismus hervorgebracht hat. Dies wird ja von vielen soziobiologischen Denkern angenommen, etwa von William D. Hamilton, Richard Alexander, David Sloan Wilson, Edward O. Wilson, Kevin MacDonald und vielen anderen.

Dafür formuliert Voland dann aber auf den Seiten 28 bis 32 eine mehr oder weniger neue Theorie zur "Evolution persönlicher Opferbereitschaft" und - damit verbunden - "des Gewissens", die sicherlich noch mancherlei Diskussionbedarf mit sich bringt. Offenbar wird auf diese Weise versucht, Altruismus gegenüber größeren Gruppen (d.h. in komplexen Gesellschaften) anders zu erklären als durch Gruppenselektion. Voland beruft sich dabei insbesondere auf einen "Science"-Aufsatz von Herbert A. Simon (1990) "A mechanism for social selection and successfull altruism", dessen Inhalt er folgendermaßen wiedergibt:
"... Man könnte es das 'Steuer-Modell' nennen. Es basiert auf der simplen Überlegung, daß es im Fitneßinteresse einer Familie liegen könnte, einen Teil der Nachkommenschaft zu wahrhaften Altruisten zu erziehen, die möglicherweise ihr Leben für die Gemeinschaft einsetzen, unter der Voraussetzung, daß sich auf diese Weise der Bestand der eigenen familiären Linie sichern läßt." (S. 32)
Voland geht von einer deutlichen und langfristigen Beeinflussung des Gewissens der Kinder durch die Eltern aus (was, soweit ich sehe, in Widerspruch steht zu den Thesen von Judith Rich Harris), und vernachlässigt dabei meiner Meinung nach die Beeinflussung des Gewissens durch die weitere Gesellschaft (bzw. die Gruppe der Gleichaltrigen). Aber trotzdem ist die These es wert, bedacht zu werden. Sie zeigt wieder einmal, wie sehr sich die Soziobiologie immer noch unter Erklärungsdruck fühlt, den Altruismus gegenüber größeren Gesellschaften (die über 500 Personen hinausgehen) zu erklären, und zwar jenen Altruismus, der nicht mit besonders einfachen tit-for-tat-Modellen erklärt werden kann und ebensowenig mit einfachen Verwandten-Altruismus-Modellen.

Heldentum in komplexen Gesellschaften - zur Sicherung der eigenen Familien-Linie?

Aber ob die Evolution tatsächlich so arbeitet und mit einem "Gewissen-Steuer-Modell" Evolutionsstabilität für (genetisch oder nur "memetisch" mitmotivierte?) Opferbereitschaft erreicht? Könnte man sich nicht auch überlegen, ob überdurchschnittliche Opferbereitschaft für eine größere Gesellschaft ganze Familienlinien innerhalb dieser Gesellschaft aussterben läßt, womit ihre - Altruismus und Opferbereitschaft veranlassenden (und mitbeeinflussenden) Gene oder Meme ebenfalls ausgestorben wären?

Man denke doch nur an die hohen Kriegsverluste seit Jahrhunderten in vielen adligen - etwa preußischen oder russischen - Familien, in denen es üblich war, daß die Söhne Offiziere wurden und Kriegsdienst leisteten. Das muß wohl noch genauer durchdacht und empirisch überprüft werden. Diese Überprüfung muß nicht so schwer sein: Es ist einfach zu fragen, ob die Adelsfamilien durch Kinderreichtum langfristig die Kriegsverluste kompensiert haben. Aber ob die Möglichkeit zum Kinderreichtum tatsächlich vor allem durch den Kriegsdienst der Söhne sichergestellt wurde oder nicht doch eher durch disziplinierte Bewirtschaftung der Familiengüter, bzw. durch eine Beamtenlaufbahn? Und warum mußten im 19. Jahrhundert immer mehr "Bürgerliche" zugelassen werden für die Offizierslaufbahn? Waren etwa in der unter starkem Bevölkerungswachstum stehenden Gesellschaft nicht mehr genügend Adelsfamilien dafür vorhanden? Oder zog der Adel beim Bevölkerungswachstum anteilmäßig parallel? Fragen, Fragen, Fragen ...

Das Wir-Gefühl ...

Im nächsten Kapitel findet sich der folgende Gedankengang über die langfristigen Entwicklungen im neuzeitlichen Europa:
"... In der zentralen Tendenz nimmt die Präferenz des Ich über das Wir zu. Kollektive zerfallen zu Einzelkämpfern. Das Gefühl und das Wissen um das 'Wir' gehen zunehmend verloren. Dieser Verlust wird offensichtlich nicht gut verkraftet. Die neuronalen Schaltkreise - Experten sprechen auch gern von 'darwinischen Algorithmen', um das etwas altbackene Wort 'Instinkt' zu vermeiden -, die neuronalen Schaltkreise also für das Wir-Gefühl suchen Input. Das Gehirn braucht ganz offensichtlich Selbstvergewisserung über das Wir, braucht zumindest einen Hauch kollektivistischer Ich-Entgrenzung. Und dies nicht etwa, weil es in der Moderne immer noch funktional wäre, im Wir auf- und unterzugehen, nein, der Bedarf entsteht einfach nur deshalb, weil es die entsprechenden Programme des Gehirns gibt, die bedient werden wollen."
Man könnte zu dem letzteren Satz viele Einwände bringen, etwa den, daß das Wir-Gefühl des aschkenasischen Judentums noch in den letzten 1.000 Jahren möglicherweise evolutionäre Weiterentwicklung bewirkt hat (z.B. im IQ). Warum also sollte das gegenwärtig und künftig nicht ähnlich funktionieren? Aber das ist ein langes Thema.

Prägungsähnliches Lernen von Aspekten der Gruppenmoral, der Heimatliebe und vielem anderem

Außerdem bringt dann das letzte Kapitel "Lernfähig aber nicht belehrbar" endlich die Literatur-Nachweise, auf die ich schon lange gewartet habe, für jene spannende These des Essay's, die folgendermaßen formuliert ist:
"... Wie neuere Untersuchungen vermuten lassen, werden neben der Sprache auch Aspekte der Gruppenmoral, Nahrungspräferenzen, der Umgang mit Zeit und Risiken, Landschafts- und Heimatliebe, Kinderliebe, Einstellungen zum Inzest und anderes mehr auf eine vergleichbare, prägungsähnliche Art und Weise gelernt."
Die im FAZ-Essay in dieser Aufzählung noch mit aufgeführten Phänomene Sexualmoral und Geschlechtsstereotypen sind im Buch - erst mal noch? - weggelassen worden. Schienen Voland die Belege dafür noch nicht sicher genug?

Ich habe mir nun den Literaturnachweis für die Landschafts- und Heimatliebe genauer angeschaut (im Buch "Evolutionary Aesthetics", hrsg. von E. Voland, 2003) und vermute, daß diese Aussage tatsächlich zunächst nur eine "Vermutung" von Herrn Voland ist, die nur andeutungsweise durch die angeführte Literatur schon sicher belegt würde. Zum Beispiel wird dort aufgeführt, daß Kinder eindeutig Savannen-Landschaften als Lieblings-Landschaften bewerten (und zwar - offenbar - kulturunabhängig!!!), daß aber nach der Pubertät zum Beispiel Getreide-Bauern stattdessen jene Landschaft bevorzugen, in der sie arbeiten, ebenso wie Rinder-Bauern und Förster die ihre (alle im Westen der USA befragt). Ob es sich hier tatsächlich um ein "prägungsähnliches Lernen" handelt, scheint mir noch nicht sehr sicher belegt und tiefgehend behandelt - aber gewiß auch nicht ausgeschlossen.

Prägungsähnliches Lernen von Kinderliebe?

Auf jeden Fall weiterhin eine spannende, weiter zu verfolgende These. Der Literaturnachweis für das prägungsähnliche Lernen von Kinderliebe "When does Liking Children Lead to Parenthood?" (Athanasios Chasiotis u.a. in Journal of Cultural and Evolutionary Psychology, 2006) vertritt die These:
"The model assumes that the interactional context of having younger siblings during childhood shapes the development of implicit prosocial motivation which in turn influences the verbalized, explicit articulation of parenting attitudes finally leading to becoming a parent. After examining the data for comparability across three selected cultures from Latin-America, Africa, and Europe, the model was tested via structural equation modelling. Results showed that the model is valid for males as well as females and can be applied in all three cultural samples. These findings point at a universal developmental pathway by specifying contextual and motivational factors leading to parenting behavior."
Grob gesagt wird also empirisch belegt (was hier auf dem Blog schon behandelt wurde), daß Menschen, die mit jüngeren Geschwistern aufwachsen auch selbst mehr Kinder haben. Wieder die Frage: Ist das prägungsähnliches Lernen? - Aber warum eigentlich nicht? So etwas ähnliches doch bestimmt?

Für das prägungsähnliche Lernen von Aspekten der Gruppenmoral ist als Buch-Verweis Marc Hauser "Moral Minds" (2006) angegeben. Das wird man sich daraufhin noch anschauen müssen. Man könnte sich ja tatsächlich vorstellen, daß Aspekte der Sexualmoral und Geschlechtsstereotypen, also z.B. das Vorherrschen von Monogamie (Ostasien, Europa), bzw. von Polygamie (Afrika) von solchen frühkindlichen Prägungen mitbeieinflußt sein könnte. Das prägungsähnliche Lernen all dieser Dinge ist sicherlich von der psychologischen und evolutionspsychologischen Forschung bislang noch allzu stiefmütterlich behandelt worden.

Jüngste Humanevolution nicht berücksichtigt

Was an dem Buch zu bemängeln ist, ist sicherlich, daß immer noch durchgängig in jedem Raisonement jüngste Humanevolution in den letzten 10.000 Jahren gar nicht vor Augen steht und darum auch gar nicht in Erwägung gezogen wird bei der Erklärung des Verhaltens des heutigen Menschen. Hier hat die gesamte Soziobiologie erhebliches Nachhol-Bedürfnis, denn damit hatte ja die "alte Schule" seit Konrad Lorenz und auch seit William D. Hamilton niemals in dem Ausmaß und der Konkretheit gerechnet wie uns dies derzeit von der Humangenom-Forschung vorexerziert wird. (Am ehesten noch all jene, die - meist noch sehr theoretisch - "Gen-Kultur-Koevolution" als Rückkoppelungs-Prozeß durchdacht haben wie: Edward O. Wilson, Charles Lumbsden oder William Durham.)

Die ganze von Voland ebenfalls behandelte Soziobiologie der Geschlecher, der Familie, der Religion und der "teuren Signale" (des "Übermut-Prinzips", wie ich es für mich immer gerne nenne), muß an dieser Stelle noch ausgeklammert bleiben. Und dennoch schon so überreichlich viel Stoff zum eigenen Nach- und Weiterdenken, sowie Forschen. So muß Wissenschaft sein.

Donnerstag, 25. Oktober 2007

James Watson - Ein Interview mit J. Philippe Rushton

Puh ... eigentlich sollte man aufhören damit, dauernd über den "Fall James Watson" zu posten. Aber man stößt immer wieder auf mitteilenswerte Nachrichten. Wie es scheint, setzt sich nämlich nach und nach, Schritt für Schritt eine ausgewogenere Berichterstattung über die Thematik durch, nachdem die erste Hysterie abgeflaut ist.

Mag dem sein wie auch immer. Selbst wenn es nur verschwindend geringe Beispiele für ausgewogene Berichterstattung sein sollten, so soll doch auf diese hingewiesen werden. Der amerikanische Radiosender NPR (National Public Radio) bringt beide Seiten zu Gehör in einer Sendung zum Thema "Rasse und Intelligenz - hängen sie miteinander zusammen?". Er bringt ein Interview mit J. Philippe Rushton (hier), einen Befürworter der These, daß es angeborene Gruppenunterschiede im Intelligenz-Quotienten gibt *) und ein Interview mit Bill Tucker (hier), einen Gegner dieser These.

J. Philppe Rushton

Tucker unterstellt den Forschungen von Rushton vornehmlich politische, nicht wissenschaftliche Motive, führt aus, daß es keine klare wissenschaftliche Defintion des Phänomens Rasse gibt, insbesondere da sich gegenwärtig die Menschen immer mehr vermischen würden. (Ein Argument, das wahrscheinlich viele heutige Humangenetiker in dieser Allgemeinheit nicht mehr unterschreiben würden, können, da man mit der Untersuchung nur kleiner, kurzer Gen-Abschnitte schon mit hoher Wahrscheinlichkeit die "Rasse" [den Herkunfts-Kontinent] des Trägers dieser Gene feststellen kann.)

Ebenso stellt Tucker infrage, daß es eine klare wissenschaftliche Definition von "Intelligenz" gibt. IQ-Tests würden nur ein sehr schmales Segment von kognitiven Fähigkeiten messen. Dieses letztere Argument kommt mir sehr gut vor. Allerdings wäre hinzuzufügen, daß manchmal kleine Segmente große Auswirkungen haben können für bestimmte Lebensbereiche wie beruflichen Erfolg, wirtschaftlichen Erfolg etc..

Beide Forscher gestehen zu, daß es Forschungen über die Korrelation von Gehirngröße und Intelligenz gibt, jüngst sogar in der Zeitschrift "Science" veröffentlicht. (St. gen. berichtete.) Tucker bringt ein besonders schwaches Argument vor beim Erörtern von statistischen Ergebnissen, wenn er einen Einzelfall herausgreift, nämlich das Gehirn von Albert Einstein, dessen absolute Größe offenbar leicht unterdurchschnittlich war. Die Korrelation ist ja sowieso nicht besonders groß zwischen Intelligenz und absoluter Gehirngröße, man sucht nach absoluten Maßen im Gehirn, die besser mit der Intelligenz korrelieren, insofern ist das Argument mit dem Gehirn Albert Einsteins gänzlich substanzlos.

J. Philippe Rushton ist übrigens nicht nur mit seiner Intelligenz-Forschungen bekannt geworden, sondern auch mit seiner genetischen Ähnlichkeits-Theorie. Aber das wäre einen eigenen Blog-Eintrag wert.

*) Leser dieses Blogs haben erfreulicherweise sein Buch schon hier bestellt - zur Nachahmung empfohlen!

Das Werden der Völker in Europa - ein neues Buch


Ein Freund macht mich auf ein gerade erschienenes Buch aufmerksam, das die Autorin Elisabeth Hamel auf ihrer Homepage vorstellt. Sein Titel: "Das Werden der Völker in Europa - Forschungen aus Archäologie, Sprachwissenschaft und Genetik."

Besonders da sie für dieses Buch mit dem bekannten Humangenetiker Peter Foster zusammengearbeitet hat, wird man es mit Interesse zur Hand nehmen. Auch ihre Publikationsliste läßt einen weiteren Horizont erkennen.

Schon die Grafiken aus dem Buch, die sie auf ihrer Homepage bringt, wecken mancherlei Hoffnungen.

Vielleicht (nein, wahrscheinlich!) entdeckt man ja in diesem Buch auch noch einiges, das man aus anderen Büchern zur gleichen Thematik (St. gen. Buchladen) noch nicht kennt? Ich glaube, noch ohne es gelesen zu haben kann man der Autorin ein großes Dankeschön für dieses Buch aussprechen. Ein solchartiges Buch ist es immer gewesen in den letzten Jahren, das auch mir selbst vorgeschwebt hat (siehe mein eigenes Buchprojekt auf Lulu.com). - Puh, davon bin ich jetzt ja entlastet, jetzt muß ich vieles nicht mehr selbst schreiben! ;-)

(Durch Anklicken wird die folgende Abbildung größer.)



(Ergänzung September 2008:) Nachdem man inzwischen einen Blick hat hineinwerfen können, ist die ursprüngliche Begeisterung nicht mehr so groß. Es werden zwischen dem recht ausführlichen Hauptteil über Sprachen und dem anderen Hauptteil über Gene nur wenige Bezüge hergestellt. Dadurch bleibt das Bild vom Werden der Völker insgesamt doch recht "abstrakt" und es werden die neuen Erkenntnismöglichkeiten, wie einem scheinen will, noch nicht genügend ausgeschöpft. Lebendiger würde das Bild wohl erst dann, wenn man auch die Bezüge zu dem geschichtswissenschaftlichen und archäologischen Kenntnissstand ausführlich darstellen würde. Insgesamt liest sich das Buch doch eher wie eine gut bebilderte Vorlesungsmitschrift, in der das Wissen anderer referiert wird - aber nicht kreativ zu einem eigenen Bild neu aufbereitet wird.

Cui bono? - Der "Watson-Skandal" ein Schaden für die Wissenschaft?

Ich stimme diesen Sätzen des neuesten Editorials von "Nature" zur "James Watson-Sache" zu:
(...) Many human geneticists are engaged in the sensitive task of unravelling differences between the world's population groups, all the while acknowledging that 'race' is an emotive and unscientific word. Others are investigating the equally sensitive genetics of 'desirable' traits, such as cognitive ability.

Asking such questions has always been controversial, given the potential for abuse of the outcomes demonstrated by the history of eugenics. Scientists explore the world as it is, rather than as they would like it to be. There will be important debates in the future as we gain a fuller understanding of the influence of genetics on human attributes and behaviour. Crass comments by Nobel laureates undermine our very ability to debate such issues, and thus damage science itself.

Hervorhebung durch mich. Und ich möchte hinzufügen: Krasse Reaktionen auf krasse Kommentare unterminieren ebenfalls unsere Fähigkeit, solche Themen zu diskutieren. Man kann auch ruhig und gelassen über die Forschungsergebnisse und -thesen eines Richard Lynn, eines Bruce Lahn, eines Henry Harpending und wie sie alle heißen, diskutieren, so wie das in den letzten beiden Jahren auch immer geschehen ist. Man kann vermuten, daß das Aufbauschen der Watson-Äußerung einfach einen neuen Ton in die Debatte bringen sollte - und zwar von Seiten jener, die sie aufgebauscht haben.

Denn wenn man das öffentliche Auftreten und die öffentlichen Äußerungen von James Watson hätte kritisieren wollen, dann hätte man schon zu vielen früheren Gelegenheiten dazu Anlaß nehmen können. Ich vermute, der etwas naive Watson wurde hier von bestimmten Leuten in der Public-Relations-Industrie nur für etwas benutzt, was man für "an der Zeit" hielt.

Schon die erste Reaktion von James Watson, seine schon gebrachte Antwort zeigte, daß James Watson durch und durch zu sachlichen Diskussionbeiträgen fähig ist. Das zeigten nicht alle Reaktionen in diesem "Skandal". (Siehe auch Gen. Expr.)

Jon Entine: "Die Kinder Abraham's"


Auf das neue Buch von Jon Entine "Abraham's Children" wurde schon hingewiesen. (St. gen., Buchladen) Auf dem Blog einer chinesischen Humangenetikerin (EyeonDNA.com) stellt Entine sein Buch selbst vor. Er spricht zunächst von seinem Interesse an seinen eigenen jüdischen Vorfahren. Dann schreibt er weiter über die Beweggründe für die Recherchen zu seinem Buch:
(...) The catalyzing event was when my sister was diagnosed with breast cancer a number of years ago. We learned it was caused by a genetic mutation found almost exclusively in Jews that more than likely was responsible for the cancer deaths of my mother, aunt and grandmother years before. I tested positive for the BRCA2 mutation as well; my young daughter, who is half Jewish, has a 50/50 chance of carrying it, though we won’t know until she’s a teenager and old enough to be tested. In essence, we have genetic markers that label us as having Jewish ancestry. (...)

The book includes a chapter explaining the possible link between so-called Jewish diseases — certain neurological and LSD disorders, as well as DNA repair problems — and the high measured IQ of Ashkenazi (Eastern European origin) Jewry. Although this theory (most recently advanced by Gregory Cochran and Henry Harpending—two non-Jews—is best classified as informed speculation (as I acknowledge in the book) at the moment, it argues persuasively, I believe, that Ashkenazi Jews are a rather distinct population group in which positive selection pressures, balanced against the killer consequences of neurological disease mutations, have led to higher IQs. The “it’s environment and culture” argument are far less persuasive. This is only one chapter in the book–most of AC is a look at our shared Israelite ancestry and history–but it is the most provocative chapter. Wonder where others come down on this issue?

(...) I’ve also long harbored a professional interest in finding a new “language” to productively discuss the genetic revolution. (...)
Jon Entine betreibt eine eigene Internet-Seite rund um dieses Buch (Abrahamschildren.net) Hier findet sich auch eine kurze Vorstellung seines Buches in Filmform hier, bzw. hier und werden die zahlreichen Vortragstermine zu diesem Buch angekündigt, sowie neu eingegange Hinweise auf Rezensionen, Diskussionen zu seinem Buch eingestellt.

Ein längerer Vortrag, den er zu dieser Thematik gehalten hat, fand sich im Jahr 2007 an dieser Stelle. (Ob er derzeit - 2012 - noch irgendwo verfügbar ist, müßte genauer recherchiert werden.)

James Watson wird von Henry Harpending unterstützt

Wie man den Kommentaren hier auf dem Blog entnehmen kann, hat Michael Blume in seinem neuesten Blog-Eintrag auf "Studium generale" Bezug genommen und den "James Watson-Skandal" thematisiert. Diskussionen siehe dort. Hier nur noch der Nachtrag, daß während des Watson-Skandals offenbar durchaus auch einige Zeitungen fähig waren, ausgewogener zu berichten. So entdecke ich in einem Bericht der Chicago Tribune auch folgende Mitteilung:
(...) Other researchers stand stoutly behind IQ tests as a good predictor of success in life and believe some group differences have a genetic basis. Henry Harpending, an anthropology professor at the University of Utah, has proposed that the relatively high average IQ scores of Ashkenazi Jews stemmed from genetic selection for higher intelligence among Jews in medieval Europe.

He also believes the conclusions in "The Bell Curve" about the genetic origins of racial differences are "rock solid."

"We publicly deny there's any such thing [as IQ], yet people obsess over SAT scores, and that's just another IQ test," Harpending said. (...)
Henry Harpending ist nun nicht "irgendwer". Er ist - z.B. - Autor oder Herausgeber von anthropologischen und humangenetischen Aufsätzen in der Zeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America), die immer wieder öffentliche Beachtung finden, wie auch schon oft hier auf dem Blog deutlich werden konnte. Außerdem ist sein zusammen mit Gregory Cochran vorgebrachter Vorschlag zur Evolution (und nicht allein kulturellen Entwicklung) des aschkenasischen Intelligenz-Quotienten vor zwei Jahren mit großer Ruhe und Gelassenheit international in der Presse aufgenommen und diskutiert worden.

Übrigens vermute ich, daß James Watson zu seiner Äußerung verleitet wurde durch Gedanken, die kurz zuvor in England auf einer wissenschaftlichen Konferenz von dem Historiker Gregory Clark vorgetragen worden waren (siehe Interview in der "Süddeutschen Zeitung", worüber hier auf dem Blog berichtet wurde), und die wissenschafts-intern diesen heftigen Widerspruch nicht hervorgerufen hatten.

Montag, 22. Oktober 2007

300 Krankheitsgene im Genom von Craig Venter

Wir leben in der Zeit einzigartiger humangenetischer Fortschritte.

James Watson, Entdecker der molekularen Struktur unseres Erbgutes, Schüler von Max Delbrück

Als vor fünf Wochen die vollständige Erbsequenz des Genoms des Humangenetikers Craig Venter veröffentlicht wurde, wurden viele interessante Details zum derzeitigen Wissensstand mitgeteilt (Berliner Morgenpost, 5.9.07):
Der 60-jährige Wissenschaftler gab zu, seit der Sequenzierung seines Erbguts cholesterinsenkende Mittel zu nehmen. Venters Vater war 59-jährig an einem Infarkt gestorben. Er selbst trägt, dem Erbgut nach zu urteilen, auch die Anlage für schwere Herzprobleme ohne vorherige Ankündigung in seinen Genen. Bei der Analyse des Venterschen Genoms stießen die Forscher auf über 300 Krankheitsgene und auf 4000 bislang unerforschte Varianten der 25 000 bekannten Gene des Menschen.


Die genetische Karte von Craig Venter war zuvor schon im Internet in wissenschaftlichen Foren veröffentlicht worden. Auch die Genkarte von James Watson, einem der beiden Entdecker der molekularen Struktur der Erbsubstanz, ist seit einem Vierteljahr im Internet zugänglich. Was Watson und Venter für Hunderte von Millionen Dollar schafften, nämlich ihre Erbsubstanz Aminosäure für Aminosäure entschlüsseln zu lassen, wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren für fast jedermann möglich sein, sagen Mediziner. (...) Insgesamt, so heißt es in einem gestern vorgestellten Bericht zum Stand der Gendiagnostik in Deutschland, können derzeit etwa 3500 Krankheiten, die durch das Vorhandensein einer Genvariante im Menschen ausgelöst werden, molekulargenetisch diagnostiziert werden.

Dank moderner Forschung wird die Zahl dieser Krankheiten in Zukunft zunehmen. Die diagnostischen Mittel werden immer besser, und gleichzeitig sinken die Kosten für eine Sequenzierung des Erbgutes. Für 750 Euro könne in zehn Jahren jeder herausfinden, ob er ein auf einem oder wenigen Genen beruhendes Risiko für Krankheiten in sich trägt. "Bei bestimmten familiären Hintergründen kann das heute schon jeder", sagt Professor Jörg Schmidtke von der Medizinischen Hochschule Hannover, der am Gentechnologiebericht mitgearbeitet hat. "Von den 3500 bekannten Krankheiten werden 500 bis 1000 mit Tests diagnostiziert."
Schon hier wird deutlich, daß alle jene, die es sich nicht leisten können, ihr Genom zu sequenzieren und auswerten zu lassen, gesundheitlich benachteiligt sind gegenüber jenen, die dies jetzt schon können und machen lassen.

Eine Frauenstatue bei den frühen Ackerbauern Mitteleuropas

Jene außerordentlich bedeutsame Kultur, die um 5.600 v. Ztr. den Ackerbau in Mitteleuropa einführte und die damals vorherrschenden Lindenwälder rodete, ist die Bandkeramik. Erst vor wenigen Jahren ist ihre Ursprungsregion identifiziert worden. Überraschenderweise entstand sie in der heutigen Grenzregion zwischen Ungarn und Österreich am Ufer des Plattensees. Dort waren sicherlich einheimische Jäger-Sammler-Kulturen zusammen gestoßen mit den Dorfkulturen, die sich vom Balkan her durch das Donautal ausgebreitete hatten. In Auseinandersetzung mit diesen Dorfkulturen entwickelten einheimische Bevölkerungen die ganz spezifisch mitteleuropäische Kultur der Bandkeramik, die nicht eigentlich durch Dörfer mit kleineren Häusern gekennzeichnet ist, sondern durch riesige, zumeist einzeln oder in kleinen Weilern stehende Langhäuser. Diese können oft 30 Meter lang sein und beherbergten wahrscheinlich mehrere sehr kinderreiche Familien mitsamt dem Vieh und den Vorräten.

Diese Kultur der Bandkeramik hat sich ungeheuer schnell vom ungarisch-österreischischen Grenzgebiet aus über das ganze damals nur äußerst spärlich von Menschen bewohnte Mitteleuropa ausgebreitet. Es muß sich um eine Bevölkerungsexplosion gehandelt haben, da sich die Besiedelung Mitteleuropas ungewöhnlich schnell vollzog. Interessanterweise sind frühe bandkeramische Siedlungen in den Niederlanden in allen kulturellen Merkmalen fast identisch mit bandkeramischen Siedlungen gleicher Zeitstellung im südosteuropäischen Raum, während der anthropologische Typus der einzelnen Bandkeramiker (Kopfform, Köperform) sehr vielfältig sein konnte und sicherlich schon in der Ursprungs-Bevölkerung sehr vielfältig gewesen ist.

Nach letzten genetischen Untersuchungen in Mainz (siehe frühere Beiträge) könnte man vermuten, daß die Bandkeramiker heute weitgehend ausgestorben sind und wenig Nachkommen hinterlassen haben. Und doch waren sie es, die vor dem Frühmittelalter von allen bekannten archäologischen Kulturen die höchste Besiedlungsdichte aufwiesen. Etwa in der Dichte, in der es seit dem Frühmittelalter Dörfer in Mitteleuropa gibt, hat es schon in bandkeramischer Zeit einzeln stehende Langhäuser gegeben, oft auch weilerartig zueinander und in sogenannten "Siedlungskammern" angesiedelt - dort, wo es besonders fruchtbarern Boden, damals Schwarzerde, heute Braunerde gibt. (Die fruchtbaren "Lößebenen".)

Von den Bandkeramikern hat man inzwischen in ganz Europa auch viel diverse Kleinkunst aus Ton entdeckt, zum Beispiel kleine niedliche Schweinchen-Figuren (in Hessen) oder kleine Figuren von Fruchtbarkeits-Göttinnen, die denen ähneln, die man auch auf dem Balkan findet. Der gebänderte Schmuck ihrer Feinkeramik ist ja ebenfalls unverwechselbar und hat ihnen ihren heutigen Namen gegeben.

Abb.: Grabenwerk (Volkssternwarte)
Die Nachfolge-Kulturen nach dem Untergang der Bandkeramik sind ebenfalls hochgradig bedeutsam. Zum Beispiel die Rössener Kultur in Norddeutschland oder die Lengyel-Kultur in Österreich. Hatten die Bandkeramiker - möglicherweise - schon sogenannte "Volkssternwarten" (so kann man die vielen kreisrunde Wallanlagen in astronomischer Ausrichtung wohl am besten deuten), so sind in den letzten Jahren insbesondere für diese Nachfolge-Kulturen eine Fülle solcher "Volkssternwarten" bekannt geworden. Besonders viele hat die Luftbild-Archäologie in Sachsen (siehe etwa Goseck) und in Niederösterreich und in dem angrenzenden Tschechien und der Slowakei gefunden. Eine der berühmtesten solchen Anlagen aus der Spätzeit dieser Religion ist ja dann Stonehenge in England. Der Fürst und Bogenschütze, der wahrscheinlich Stonehenge hat errichten lassen, ist - wie neueste archäologische Forschungen ergeben haben - direkt aus Süddeutschland zugewandert.

Die fruchtbaren Lößebenen um den sich zwischen Niederösterreich und Südmähren (Slowak) hinschlängelnden Flusses der Thaya war, wie ausgeführt, schon in der Jungsteinzeit dicht besiedelt. Nun hat man dort von der Nachfolge-Kultur der Bandkeramik, der Lengyel-Kultur, nicht nur eine Fruchtbarkeits-Göttin als "Kleinkunst" entdeckt, sondern die Beine einer etwa 50 Zentimeter hohen Frauenstatue. (1, 2, 3) Datiert wird die Statue auf 4.700 oder 4.800 v. Ztr..



"Eine Statue von solcher Größe und Art war bisher weder in Europa noch im Orient bekannt", wurde Vladimir Podborsky von der Brünner Masaryk-Universität zitiert.
Die hohlen Beine und das Gesäß der aus Keramik gefertigten Frau stammt aus der Zeit zwischen 4800 bis 4700 vor unserer Zeitrechnung. Die Experten sind sich darin einig, daß bis heute nichts Vergleichbares gefunden wurde.
Die Statue ist das Werk von Menschen aus der prähistorischen Kultur der mährisch bemalten Keramik.
"Die Plastik war mit gelben Malereien verziert worden, ihr archäologischer Wert ist gar nicht abzuschätzen,“ sagte der glückliche Archäologe Zdeněk Čižmář aus Znojmo, der die Statue fand.
Ich möchte diese Feststellungen was den Vorderen Orient betrifft, deutlich einschränken. Sind doch schon von den akeramischen Siedlungen des Vorderen Orient (um 7.000 v. Ztr.) - etwa in Ain Ghazal (Jordanien) - lebensgroße Menschendarstellungen bekannt. Aber für Europa dürfte dieser Satz zutreffen. Die Statue wurde in Groß Maispitz, tschechisch Masowice, entdeckt. Dieser Ort liegt nördlich der Thaya.


Groß Maispitz war schon um 1880 ein tschechischer Ort mit gut 500 Einwohnern, in dem nur wenige Deutsche lebten. (Europas-Mitte.de, Südmaehren.at)

Sonntag, 21. Oktober 2007

Autofreies London

Wissenschaftler haben allen Ernstes ein autofreies London vorgeschlagen, um einen effektiven Beitrag zur CO2-Reduzierung zu leisten. (Spektrum der Wissenschaft) Das könnte auch deutschen Städten nicht schaden.

Menschliche kulturelle Vielfalt in Gefahr

Die kulturelle Vielfalt der Menschheit nimmt drastisch ab, weil die Sprachen vieler kleiner Völker und Volksstämme aussterben und mit ihnen ein einzigartiger, nie mehr zu konstruierender Blick auf die Welt, bzw. Wissen über die Welt. ("National Geographic")
The research has revealed five hotspots where languages are vanishing most rapidly: eastern Siberia, northern Australia, central South America, Oklahoma, and the U.S. Pacific Northwest.
Bildunterschrift in "National Geographic": Among the world's disappearing tongues is northern Australia's Magati Ke—still spoken by "Old Man" Patrick Nanudjul (far left), who is in his 70s.

Die Evolution des Amylase-Gens

Die eben gebrachte Meldung war noch viel zu oberflächlich. Ein Bericht in "Spektrum der Wissenschaft" bringt noch viele weitere Details zur Evolution der Stärke-Verdauung beim Menschen. (siehe auch Originalartikel in Nature Genetics - leider nicht frei) Und bekanntlich liegt das Aufregende in der Wissenschaft meistens im Detail. Deshalb noch weitere Ergänzungen:
(...) Wer von den freiwilligen Spuckespendern mehr Genkopien in den Zellen trug, in dessen Speichel fanden sich dann stets auch höhere Konzentration des Enzyms.

Einige der Speichelproben erwiesen sich dabei als überraschend hochkonzentriertes Stärke-Zersetzungsgebräu: Bis zu 15 Genkopien in den Zellen sorgten für eine entsprechend hohe Amylasekonzentration im Mund. Eine solche enzymatische Spezial-Massenproduktion ist typisch menschlich, wie die Forscher dann durch einen Vergleich mit Speichelproben von Schimpansen zeigten: Unsere nahen tierischen Verwandten hatten immer nur genau zwei Kopien des Amylase-Gens und demnach gleichbleibend eher niedrige Enzymkonzentrationen. Auf effizienten Stärkeverdau, schlussfolgern die Wissenschaftler, legen die tierischen Vettern offenbar weniger Wert als unsereins.

Dominys Team macht sich nach diesen Anfangserkenntnissen auf die Suche nach Indizien für den Zusammenhang von Speichel, Genen und Ernährung und zählten die Amylase-Kopienzahl verschiedener Volksgruppen, die sich durch stärkehaltige oder weniger stärkereiche Ernähung auszeichnen. Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass die Hadza aus dem afrikanischen Tansania - nutzen amylosereichehaltige Wurzelknollen als Grundnahrungsmittel - durchschnittlich 6,7 Amylase-Kopien tragen. Die Pygmäengruppe der Mbuti, die sich schon immer als Jäger- und Sammlerkultur durch Savannen und Regenwaldländer geschlagen haben und daher üblicherweise viel weniger stärkehaltige Mahlzeiten konsumieren, haben dagegen nur 5,4 der entsprechenden Verdau-Gene.

Dieser Trend bestätigt sich in vergleichbaren Proben aus Asien, Europa und der Arktis, so Dominys Team: Die Jakuten des Polarkreises essen im Vergleich zu denen ihnen verwandtschaftlich nahe stehenden Japanern keinen stärkehaltigen Reis - und passend haben Erstere durchschnittlich wenig, Letzte mehr Amylase-Genkopien. Die Ernährungsgewohnheiten scheinen also die Gen-Ausstattung zu beeinflussen. Möglicherweise war dies auch schon in der grauen Frühzeit des Menschen so, spekulieren die Forscher.

Irgendwann müssen, so das fertige Theoriepuzzle der Forscher, mehrere Erfindungen zusammen gekommen sein: Gemeinsam mit der Entdeckung des Feuers durch Homo erectus wurde es womöglich Mode, die zuvor schon gelegentlich nach Geistesblitzen ausgebuddelten Wurzeln - Vorläufer von Kartoffeln oder Mohrrüben und von den konkurrierende Affen wohl unbeachtet - als Stärkespender weich zu kochen und zu verspeisen, anstatt sie wie vorher mühsam herunterzuwürgen. Mit der Ernährungsumstellung auf Stärkehaltiges veränderte sich dann auch - mal mehr, mal etwas weniger - im Laufe der Zeit die genetische Ausstattung zur effizienten Verdauung des Wurzelinhalts. (...)
All das wirft auch Aspekte zur Betrachtung jüngerer geschichtlicher Ereignisse auf: Wie sieht es zum Beispiel mit der Einführung des Kartoffel-Anbaus in Preußen durch Friedrich den Großen aus? In Norddeutschland ist wohl sicherlich die Kartoffel als Nahrungsmittel viel beliebeter als in Süddeutschland, wo mehr Teigwaren gegessen werden.

Waren die Preußen schon vorher stärker disponiert auf Stärke-Verdauung als die Süddeutschen und hat sich deshalb die Kartoffel in Norddeutschland schneller ausgebreitet als in Süddeutschland? Oder hat das eher einfach nur Gründe in den Anbau-Bedingungen etc.? Und was sind die Folgen des Kartoffel-Konsums? Befinden wir uns derzeit in einem Selektions-Prozeß zugunsten von Stärke-Verdauuern in Europa? Alles spannende Fragen. Sicherlich gibt es noch viele andere, die sich daran anschließen.

Die Völker spucken (und verdauen) genetisch unterschiedlich - Zur jüngsten lokalen Humanevolution der Spucke

In unserem Speichel befindet sich das Enzym Amylase für die Verdauung von Stärke, die sich in Kartoffeln, viele Früchten und diversen Pflanzen-Wurzeln befindet. Nun haben andere Primaten in ihrem Erbgut nur zwei verschiedene Varianten für die Amylase-Herstellung, während man in einer neuen Studie bei 150 Studenten 15 unterschiedliche Gen-Varianten gefunden hat. Das heißt, die Stärke-Verdauung - und nicht unbedingt die Fleischverdauung - war für die Evolution des Menschen offenbar besonders wichtig. Aber noch mehr: Die Völker unterscheiden sich - offenbar auch genetisch - in der Art der Stärke-Verdauung (Berliner Morgenpost, Nature Genetics):

Den Zusammenhang zwischen unserer Spucke und der Ernährungsweise konnten die Forscher auch bei verschiedenen heute noch lebenden Völkern nachweisen: So besitzen die Jakuten, ein Volk, das von Jagd und Fischfang lebt, weniger Amylase als die Japaner, die sich auch von stärkehaltigem Reis ernähren. Ähnliche Ergebnisse lieferte ein Vergleich zwischen afrikanischen Stämmen, von denen der eine von der Viehzucht und damit von Fleisch, der andere vom Ackerbau lebt.

Anfänge der Stadtentwicklung bei den heidnischen Sachsen

Am Standrand von Oldenburg ist jüngst eine Burg der Friesen (und/oder Sachsen) entdeckt worden, die als Schutz gegen die Christianisierung und "Karolingisierung" gedient haben könnte, die vom Frankenreich unter Karl dem Großen ausging. Nun hat man bei Stade an einem Nebenfluß der Elbe den bislang ältesten Schiffshafen und Handelsplatz in Norddeutschland entdeckt, der um das Jahr 670 entstanden sein soll. (Berliner Morgenpost)
Aus den bisherigen Funden sei zu schließen, dass der Handelsplatz zwischen den Jahren 670 und 800 betrieben worden sei. (...) Schäfer vermutet, dass der Handelsplatz von den sogenannten Alt-Sachsen betrieben wurde. Der Fund der Schwingeburg und des Schiffsanlegers widerlege die Vermutung, dass das Elbe-Weser-Dreieck zwischen dem Abwandern der Alt-Sachsen in Richtung Britannien um 500 und dem Vorstoß der Franken um das Jahr 800 nahezu menschenleer war.
Also hat es die ersten Tendenzen in Richtung Verstädterung in Sachsen schon vor der Unterwerfung durch das Frankenreich gegeben. Diese Tendenzen wurden dann natürlich durch die Christianisierung stark beschleunigt.

Unterdrückter Ärger fördert die Migräne

Ein Kommentar ist nicht nötig zu folgender Meldung - zumindest für alle die, die selbst unter Migräne leiden ... (Berliner Morgenpost).
Unterdrückter Ärger fördert die Migräne

Stuttgart - Wer seinen Ärger meistens runterschluckt, leidet besonders häufig unter Migräne. Das ergab eine Studie, die jetzt in der Zeitschrift "Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie" veröffentlicht wurde. Zwar kann man nach Angaben der Experten ganz allgemein davon ausgehen, dass ein Wechselspiel biologischer und psychologischer Aspekte bei der Entstehung der Migräne eine Rolle spielt. Doch von allen untersuchten psychologischen Faktoren stellten die Forscher nur für die Neigung, Ärger zu unterdrücken, einen klaren Zusammenhang zur Migränehäufigkeit fest. Diese Erkenntnis habe natürlich Konsequenzen für die Therapie, betonten die Wissenschaftler: Da für Patienten mit hoher Ärgerunterdrückung die Themen Affektwahrnehmung und adäquater Affektausdruck sehr relevant seien, solle eine Psychotherapie darauf gerichtet sein, geeignete Strategien im Ausdruck und Umgang mit ärgerlichen Gefühlen zu vermitteln.

Allein in Deutschland haben rund acht Millionen Menschen Migräne. Dabei handelt es sich um sogenannte primäre Kopfschmerzen, die nicht Symptom einer anderen Krankheit sind. Im Durchschnitt haben die Betroffenen sieben Attacken pro Monat.

Die Westgoten, die sephardischen und die aschkenasischen Juden

Die Geschichte des antiken Judentums ist gut erforscht, ebenso die Geschichte des mittelalterlichen Judentums. Aber wie gut ist eigentlich die Geschichte des Judentums in der Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter erforscht? Da sich in dieser Zeit die genetische und kulturelle Neubildung des aschkenasischen (traditionell deutsch-/jiddisch-sprachigen) Judentums vollzog (also eine klassische Ethnogenese), das eine für die Wissenschaft heute so interessante Genetik aufweist, stellen sich neue Fragen an die Geschichtswissenschaft. Mit dem Thema kenne ich mich noch gar nicht so richtig aus, bin aber gerade auf die Rezension ("Early Medieval Europe", frei zugänglich) einer deutschen Doktorarbeit von 2001 gestoßen , die inzwischen ins Englische übersetzt worden ist von Wolfram Drews zum Thema "Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla". (Amazon 1, 2)

Es ist erstaunlich zu erfahren, daß sich die Westgoten in Spanien, als sie zum Katholizismus übertraten, als Volk neu definierten und zwar insbesondere als unterschiedlich gegenüber den Juden, die also im weströmischen Reich keine besonders unbekannte Komponente gebildet haben können. Könnte man nicht ähnliche Vorgänge vermuten bei der Ethnogenese des deutschen Volkes und des aschkenasischen Judentums in den Jahrhunderten danach?

Aus der englischen Version wird Wolfram Drews folgendermaßen zitiert:
"In the 6th century the self-perception of the Goths had been subjected to constant change and even erosion, which provided the basis for the creation of a new paradigm in 589, the invention of a new ‘origin of the Goths’ . . . When they converted to Catholicism, a new form of religious and ‘ethnic’ demarcation suggested itself: the opposition to Judaism, which became a new and constant feature in the 7th century, but which in fact continued the anti-Roman strategy of earlier centuries. Traditional Roman and Catholic anti-Judaism was taken over at the time of conversion and adapted to the political agenda of the Catholic Gothic monarchy."
In diesem Prozeß spielte Isidor, Bischof von Sevilla, eine entscheidende Rolle.

All das handelt ja wahrscheinlich vom sephardischen Judentum. Für mich ist die ganze Thematik nur deshalb interessant, weil dies genau jener Zeitraum ist, in dem sich zu gleicher Zeit in Deutschland am Rhein die Abspaltung der aschkenasischen von den sephardischen Juden vollzogen haben muß.

Vielleicht erfährt man über all das noch Genaueres in dem neuen Buch von Jon Entine über die aschkenasischen Juden und ihre "genetische Geschichte" (siehe früehrer St. gen.-Beitrag).
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