Sonntag, 31. August 2008

Lebten Adam und Eva in einem anderen "Paradies" als Klaus und Elisabeth?

Von einem möglicherweise spannenden Forschungsergebnis wird in der Dezember-Ausgabe von "Human Genetics" berichtet. (Schon seit 7. August online vorveröffentlicht.) (1) Kanadische und internationale Forscher haben die evolutionäre Geschichte eines Abschnittes im Dystrophin-Gen untersucht, das auf dem über die weibliche Linie vererbten X-Chromosom liegt. Immer mehr wird derzeit und künftig die evolutionäre Geschichte einzelner Gene untersucht, statt ganzer Genome (oder für "repräsentativ" gehaltener Abschnitte von Genomen). Dadurch häuft sich immer mehr Datenmaterial an, das zu einem sehr differenzierten Bild der Humanevolution führt oder führen könnte.

Adam und Eva - Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom von Michelangelo
Die Forscher glauben, die Abspaltung der Hälfte der in Afrika vorkommenden Gensequenzen dieses Abschnittes auf einen Zeitraum datieren zu können, der VOR der Entstehung des "anatomisch modernen Menschen" vor etwa 250.000 bis 200.000 Jahren in Afrika liegt. Daraus würde sich natürlich ein sehr differenziertes Bild der Entstehung des "anatomisch modernen Menschen" ergeben. Man könnte vermuten, daß es dabei in Afrika (geographische?) "Populations-Strukturierungen" mit wenig genetischem Austausch untereinander gegeben hat (also "Isolate") schon VOR Entstehung des anatomisch modernen Menschen, und zwar "Strukturierungen", die dann auch danach durch Vermischung niemals verwischt worden sind.

Anders ausgedrückt: "Lokale Humanevolution" in getrennten Populationen hätte es schon in Afrika selbst gegeben VOR Entstehung des anatomisch modernen Menschen und nicht erst mit seiner Aufspaltung auf unterschiedliche Kontinente. Hier die Zusammenfassung des Aufsatzes:

Genetic variability of the compound interrupted microsatellite DXS1238, in intron 44 of the dystrophin gene, provides evidence for a complex structure of the ancestral population that led to the emergence of modern humans. We sequenced DXS1238 in 600 X-chromosomes from all over the world. Forty four percent of African-specific chromosomes belong to the ancestral lineage that did not participate in the out-of-Africa expansion and subsequent colonization of other continents. Based on the coalescence analysis these lineages separated from those that contributed to the out-of-Africa expansion 366 ± 136 thousands years ago (Kya). Independently, the analysis of the variance in the repeat length and of the decay of the ancestral alleles of the two DXS1238 repeats, GT and GA, dates this separation at more than 200 Kya. This suggests a complex demographic history and genetic structure of the African melting pot that led to the emergence of modern humans and their out-of-Africa migration. The subsequent subdivisions of human populations among different continents appear to be preceded by even more structured population history within Africa itself, which resulted from a restricted gene flow between lineages allowing for genetic differences to accumulate. If the transition to modern humans occurred during that time, it necessarily follows that genes associated with this transformation spread between subpopulations via gene flow. Otherwise, in spite of subsequent anatomical variation, Homo sapiens as a species could have emerged in Africa already between 300 and 200 Kya, i.e. before the mitochondrial DNA and well before the Y-chromosome most recent common ancestors.
Diese Abspaltung der derzeit 44 % der "Afrika-spezfischen" Genom-Sequenzen wird also auf 366.000 Jahre zurück datiert. Das würde heißen: Die unterschiedliche Entstehung von Menschenrassen (bzw. von afrikanischen und außerafrikanischen Rassen) hätte schon vor jenem Ereignis stattgefunden, das so allgemein als evolutionäre "Menschwerdung" bestimmt wird. Das Menschsein der Afrikaner könnte dann eher das Ergebnis konvergenter Evolution sein, als das Ergebnis gemeinsamer Evolution von allen übrigen Menschen auf dieser Erde.

Noch deutlicher: Im "Paradies" lebten nicht nur Adam und Eva, sondern auch Klaus und Elisabeth. Und - grob - 44 % der südsaharischen Afrikaner stammen von Adam und Eva, der Rest der Menschheit von Klaus und Elisabeth ab. Der "letzte gemeinsame Vorfahre" von Adam, Eva, Klaus und Elisabeth wäre ein biologisches Wesen gewesen, das der evolutionären Stufe des "archaischen Homo sapiens" zuzurechnen wäre, sagen wir grob ein Wesen, das der evolutionären Stufe des Neandertalers entspricht. Und der Sündenfall (= die Menschwerdung?) hätte bei beiden Paaren unabhängig voneinander stattgefunden. Und der Gott von Adam und Eva könnte ein anderer gewesen sein als der von Klaus und Elisabeth. Und bei Klaus und Elisabeth war es vielleicht gar nicht die Schlange und der Apfel, sondern ... -

Vorsicht ist natürlich hochgradig geboten. Es handelt sich hier um ein ganz einzelnes Forschungsergebnis. Trotzdem noch einmal der Kernsatz der Zusammenfassung:
"The subsequent subdivisions of human populations among different continents appear to be preceded by even more structured population history within Africa itself."
Sind also Afrikaner und Außerafrikaner auf unterschiedlichen evolutionären Wegen "Mensch" geworden? Die gleiche Forschungsstudie wird nochmals behandelt im nachfolgenden Blogartikel. (Dort auch eine Aktualisierung vom 2.7.2013.)

(ursprünglich veröffentlicht 27.11.2007)
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ResearchBlogging.org
  1. Vania Yotova, Jean-François Lefebvre, Oleksiy Kohany, Jerzy Jurka, Roman Michalski, David Modiano, Gerd Utermann, Scott M. Williams, Damian Labuda (2007). Tracing genetic history of modern humans using X-chromosome lineages Human Genetics, 122 (5), 431-443 DOI: 10.1007/s00439-007-0413-4

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